Baurecht

Der Bedenkenhinweis: Wie kann sich der Auftragnehmer von seiner Mängelhaftung befreien?

Text: Prof. T. Karczewski | Foto (Header): © Kzenon – stock.adobe.com

Der Begriff „Bedenkenhinweis“ oder „Bedenkenmitteilung“ ist unter Bauschaffenden ein bekannter Begriff und ein Instrument, das zwar häufig, aber häufig auch nicht korrekt angewendet wird. Das zeigen zahlreiche Gerichtsurteile. Der Beitrag will die möglichen Ursachen und die Folgen eines fehlerhaften Umgangs mit dem Bedenkenhinweis aufzeigen. Zudem werden die Voraussetzungen für eine korrekte Mitteilung dargelegt.

Auszug aus:

Der Bauleiter
Ausgabe Juni 2019
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ÜBERSCHRIFT

Der Grund, weshalb ein Bedenkenhinweis notwendig ist, liegt in der sogenannten verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung des Auftragnehmers. „Erfolg“ bedeutet dabei, dass das (Bau-)Werk des Auftragnehmers funktionstauglich und zweckentsprechend sein muss (funktionaler Mangelbegriff). Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 08.11.2007, VII ZR 183/05, Rz. 15) ist das Werk deshalb selbst dann mangelhaft, wenn der Auftragnehmer die im Leistungsverzeichnis und/oder in den vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Plänen vorgegebene Ausführungsart eingehalten hat, aber die Funktion und der Zweck des Werks nicht erreicht werden. Entsprechendes gilt, wenn der Auftragnehmer auf einer für ihn erkennbaren, aber nicht erkannten fehlerhaften Vorleistung eines anderen Unternehmers aufbaut und seine Leistung für sich genommen zwar mangelfrei ist, die Funktion und der Zweck des Werks aber nicht erreicht werden (vgl. z. B. BGH, Urt. v. 23.10.1986, VII ZR 267/85 unter III.2.b).

Die verschuldensunabhängige Haftung ist in § 13 Abs. 3, 1. Halbsatz VOB/B ausdrücklich formuliert. Dort heißt es:

„Ist ein Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnungen des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers, haftet der Auftragnehmer (…)“

Die verschuldensunabhängige Erfolgshaftung des Auftragnehmers gilt nicht nur für den VOB-Vertrag, sondern auch für alle Arten des Werkvertrags nach BGB (Bauvertrag, Verbraucherbauvertrag, Architekten und Ingenieurvertrag, Bauträgervertrag).

Ein Beispiel: Der Auftragnehmer führt nach den Plänen und dem Leistungsverzeichnis des vom Auftraggeber beauftragten Architekten die Abdichtung aus, dennoch ist das Dach undicht.

Der Auftragnehmer ist nur dann von der Haftung befreit, wenn er seine Prüf- und Hinweispflicht erfüllt hat. Auch dies ist in der VOB/B § 13 Abs. 3, 2. Halbsatz in Verbindung mit § 4 Abs. 3 geregelt und gilt ebenfalls für alle BGB-Werkverträge.

Die verschuldensunabhängige Erfolgshaftung des Auftragnehmers ist also nicht durch die Verletzung der Prüf- und Hinweispflicht begründet, wie dies oft in der Praxis angenommen wird, sondern allein durch einen Mangel des vom Auftragnehmer hergestellten Werks, wie der BGH (BGH, a. a. O., Rz. 19, 21, 22) ausdrücklich hervorhebt.

 

Tatbestand der Haftungsbefreiung

Durch die Erfüllung der Prüf- und Hinweispflicht kann sich der Auftragnehmer von seiner verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung befreien. In § 4 Abs. 3 VOB/B ist diese Pflicht wie folgt formuliert:

„Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung (auch wegen der Sicherung gegen Unfallgefahren), gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, so hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen (…)“

Das hat für den Auftragnehmer Konsequenzen. Nicht der Auftraggeber hat zu beweisen, dass der Auftragnehmer seiner Prüf- und Hinweispflicht nicht nachgekommen ist, sondern der Auftragnehmer hat die Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen, die ihn von seiner Haftung durch eine ausreichende Bedenkenmitteilung befreien (BGH, a. a. O., Rz. 22 und 26).

 

Fehlerhafte Vorgaben oder Vorleistungen

Der Auftragnehmer ist nicht für den Mangel seines Werks verantwortlich, wenn

  • dieser Mangel auf verbindliche Vorgaben des Auftraggebers oder von diesem gelieferte Stoffe oder Bauteile oder Vorleistungen anderer Unternehmer zurückzuführen ist,
  • der Auftragnehmer seiner Prüfpflicht Genüge getan und
  • dem Auftraggeber seine Bedenken mitgeteilt hat.

In diesen Fällen ist die Verantwortung des Auftragnehmers für die Herstellung des Werks eingeschränkt und eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung deshalb nicht immer interessengerecht. Vielmehr ist es nach Treu und Glauben gerechtfertigt, den Auftragnehmer in bestimmten Fällen von seiner Mängelhaftung zu befreien. Dies gilt insbesondere dann, wenn er dem Auftraggeber die Bedenken mitteilt, die er bei gebotener Prüfung der Geeignetheit verbindlicher Vorgaben, gelieferter Stoffe oder Bauteile oder der Vorleistung anderer Unternehmer hat oder auf die er bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte kommen müssen.

Voraussetzung ist aber, dass die Vorgaben aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers kommen und vom Auftragnehmer zwingend zu befolgen sind, ihm also keine Wahl bleibt. Das ist nicht der Fall, wenn die Bauausführung durch das Angebot des Auftragnehmers bestimmt wird; aber auch dann nicht, wenn der Auftraggeber einen bestimmten Baustoff nur vorschlägt oder mit der Verwendung eines Baustoffs einverstanden ist, der auf Vorschlag des Auftragnehmers in das Leistungsverzeichnis aufgenommen wurde. Der Auftragnehmer führt dann nur das aus, was er selbst vorgeschlagen hat (Kniffka/Krause-Allenstein, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 12.03.2018, § 634 BGB, Rn. 36) und haftet auch dafür.

Ein Bedenkenhinweis wird in diesen Fällen naturgemäß nicht erfolgen.

 

Prüfpflicht

In § 4 Abs. 3 VOB/B ist zwar von einer Prüfpflicht des Auftragnehmers keine Rede. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 23.10.1986, VII ZR 48/85) entspricht es jedoch Treu und Glauben, dass jeder Auftragnehmer, der seine Arbeit auf der Grundlage fremder Vorgaben, Planungen oder Vorleistungen auszuführen hat, prüfen und ggf. auch geeignete Erkundigungen einziehen muss, ob die Vorgaben, Planungen, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten und keine Eigenschaften besitzen, die den Erfolg seiner Arbeit infrage stellen können.

Maß und Umfang der gebotenen Prüfung ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich für den Auftragnehmer nach den besonderen Umständen des Einzelfalls darstellt. Was hiernach zu fordern ist, bestimmt sich in erster Linie durch das vom Auftragnehmer zu erwartende Fachwissen und durch alle Umstände, die er bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennen kann.

Dabei setzt der BGH (BGH, Urt. v. 09.07.1987, VII ZR 208/86) voraus, dass der ausführende Auftragnehmer über die zur Herstellung des Werks erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt. Er muss für das dazu nötige Wissen und Können einstehen. Besondere Prüfpflichten treffen ihn beispielsweise dann, wenn die Vorgaben des Auftraggebers unerprobte Bauweisen oder Baustoffe vorsehen.

Fachkenntnisse des Auftraggebers lassen die Prüfpflicht des Auftragnehmers grundsätzlich nicht entfallen. So muss z. B. nach einem Urteil des OLG Schleswig (OLG Schleswig, Urt. v. 27.06.2018, 12 U 13/18) ein Putzer den ihn beauftragenden Bauunternehmer darauf hinweisen, dass er den Putz erst dann auf das Mauerwerk aufbringen kann, wenn dieses ausgetrocknet ist. Auch wenn er den Auftraggeber darauf hingewiesen hat, dass bestimmte Voraussetzungen für sein Werk vorliegen müssen, muss er sich grundsätzlich vor Ausführung der Arbeiten vergewissern, ob die Voraussetzungen eingehalten sind. Selbst wenn er diese mit dem Vorunternehmer besprochen hat, kann er sich nicht darauf verlassen, dass die Voraussetzungen vorliegen, sondern muss dies im Rahmen des ihm Zumutbaren selbst prüfen (BGH, Urt. v. 08.11.2007, VII ZR 183/05, Rz. 24).

Nur wenn der Auftraggeber über eine größere Fachkenntnis verfügt, auf die der Auftragnehmer vertrauen darf, entfällt seine Prüfpflicht (OLG Schleswig, Urt. v. 27.06.2018, 12 U 13/18).

Ebenso wenig muss der Auftragnehmer über Spezialkenntnisse eines Fachplaners verfügen. So können nach einem Urteil des Kammergerichts (KG, Urt. v. 12.10.2017, 27 U 60/17) physikalische Berechnungen zum Ausdehnungskoeffizienten von Wasser im Rahmen einer ungewöhnlichen Bausituation von einem Handwerker nicht erwartet werden. Die Haftung des Auftragnehmers entfällt daher, wenn er die Fehlerhaftigkeit der Vorgaben des Auftraggebers oder der Vorleistung anderer Unternehmer nicht erkennen konnte (KG, Urt. v. 12.10.2017, 27 U 60/17).

Dabei muss dem Auftragnehmer aber bewusst sein, dass dies eine Ausnahme darstellt und ihn eine Plausibilitätskontrolle trifft. Das heißt, er muss diejenigen Grundlagen der fachspezifischen Planung überprüfen, die auch Grundlage seiner Arbeit sind. Geht die Planung erkennbar von falschen Voraussetzungen aus oder zeigen sich vor Ort Abweichungen von den Grundlagen der Planung oder sind diese widersprüchlich oder lückenhaft, hat er Bedenken mitzuteilen.

Die Prüfpflicht des Auftragnehmers erstreckt sich aber grundsätzlich nur auf die Vorleistung, auf der seine Leistung aufbaut, jedoch nicht auf Nachfolgeleistungen anderer Unternehmer (vgl. z. B. OLG Zweibrücken, Urt. v. 02.05.2011, 7 U 77/09). Nur wenn der Auftragnehmer – ausnahmsweise – Anhaltspunkte dafür hat, dass die Nachfolgearbeiten nicht einwandfrei ausgeführt werden können, ist er verpflichtet, den nachfolgenden Unternehmer bzw. den Auftraggeber darauf hinzuweisen, wie bei den nachfolgenden Arbeiten verfahren werden muss (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.04.2015, 22 U 157/14).

 

Hinweispflicht

Der Bedenkenhinweis des Auftragnehmers hat eine Warn-, Kontroll- und Dispositionsfunktion für den Auftraggeber. Er hat den Zweck, dass der Auftraggeber die Bedenken des Auftragnehmers prüfen und ggf. darauf reagieren kann, sodass er vor Schaden bewahrt wird. An diesem Zweck orientieren sich die Voraussetzungen eines haftungsbefreienden Bedenkenhinweises des Auftragnehmers.

Der richtige Inhalt:
Die Haftungsbefreiung durch einen Bedenkenhinweis scheitert häufig daran, dass der Auftragnehmer versäumt, den Hinweis mit dem richtigen Inhalt zu versehen. Der Auftragnehmer muss dem Auftraggeber nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 25.10.2007, VII ZR 27/06; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.10.2017, 22 U 41/17) die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Vorgaben konkret schildern, damit ihm die Tragweite der Nichtbefolgung klar vor Augen geführt wird.

Der Auftragnehmer muss also die Konsequenzen der fehlerhaften Vorgaben oder Vorleistungen anderer Unternehmer für den Gesamterfolg des Werks anschaulich und nachvollziehbar darstellen. Er muss aber nicht ausdrücklich darauf hinweisen, dass die geplante Ausführung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Genauso wenig muss er Möglichkeiten der Abhilfe aufzeigen, wenn ihm keine Planungsverantwortung obliegt (OLG Schleswig, Urt. v. 18.07.2018, 12 U 8/18). Gefährlich kann es für den Auftragnehmer werden, wenn er einen Nachunternehmer eingeschaltet hat, dessen Bedenkenhinweis er ungeprüft an den Auftraggeber oder dessen bauleitenden Architekten durchreicht. Der Auftragnehmer muss sich in diesen Fällen als Vertragspartner des Auftraggebers selbst ein Bild von den angemeldeten Bedenken seines Nachunternehmers machen und seinen Auftraggeber über die Bedenken und die späteren Folgen aufklären (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2000, 22 U 78/00). Tut er dies nicht, läuft er Gefahr, dass der Bedenkenhinweis nicht mit einem ausreichend aufklärenden Inhalt versehen ist.

Die rechte Zeit:
Damit der Hinweis seine Funktion erfüllen und der Auftraggeber angemessen reagieren kann, um Schaden zu vermeiden, bestimmt § 4 Abs. 3 VOB/B, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber die Bedenken unverzüglich, möglichst vor Ausführung der Arbeiten, mitzuteilen hat. Unverzüglich bedeutet: ohne schuldhaftes Zögern des Auftragnehmers, also direkt nach der gebotenen Prüfung der Vorgaben des Auftraggebers oder der Vorleistung eines anderen Unternehmers und vor Ausführung der eigenen Arbeiten.

Die richtige Form:
In § 4 Abs. 3 VOB/B ist ausdrücklich geregelt, dass die Bedenken dem Auftraggeber schriftlich mitzuteilen sind. Damit soll der Warnfunktion besonderer Nachdruck verliehen werden. Zwar kann selbst bei einem VOB-Vertrag auch der mündliche Bedenkenhinweis dazu führen, dass der Auftragnehmer von seiner Haftung frei wird (OLG Schleswig, Urt. v. 18.07.2018, 12 U 8/18). Es sind aber Gerichtsurteile (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.06.2012, 23 U 167/11; BGH, Beschluss v. 23.01.2014, VII ZR 199/12) zu beachten, die den Auftragnehmer nicht von seiner Haftung befreien, obwohl er den Auftraggeber auf Bedenken hingewiesen hat, weil der Hinweis nur mündlich erteilt wurde. Schriftform im Sinne des § 4 Abs. 3 VOB/B bedeutet nach § 126 BGB, dass der Bedenkenhinweis eigenhändig vom Auftragnehmer unterschrieben sein muss. Auch wenn diese Form durch eine normale E-Mail nicht eingehalten ist, dürfte dies selbst beim VOB-Vertrag ausreichend sein.

Allein aus dem Grund, später nachweisen zu können, dass er einen Bedenkenhinweis mit dem richtigen Inhalt erteilt hat, muss der Auftragnehmer zumindest die Textform der E-Mail wahren. Kann er seinen Bedenkenhinweis vor Gericht nicht beweisen, wird er von seiner Haftung nicht befreit (KG, Urt. v. 29.12.2017, 21 U 120/15).

Der richtige Adressat:
Adressat des Bedenkenhinweises ist grundsätzlich der Auftraggeber. Zwar kann auch ein bauplanender und/oder bauleitender Architekt des Auftraggebers richtiger Adressat des Bedenkenhinweises sein. Dies genügt aber dann nicht, wenn sich der Architekt den Bedenken verschließt oder wenn der Architekt den Fehler zu vertreten hat (BGH, Urt. v. 19.12.1996, VII ZR 309/95). Richtet der Auftragnehmer den Bedenkenhinweis in diesen Fällen nicht (auch) an den Auftraggeber, wird er nicht von seiner Haftung befreit. Gleichwohl ist die Haftung des Auftragnehmers wegen Mitverschuldens des Auftraggebers gemindert. Letzterer muss sich das Verschulden seines Architekten haftungsmindernd zurechnen lassen (OLG Hamburg, Urt. v. 28.09.2018, 11U 128/17).

Reaktion des Auftraggebers:
Meldet der Auftragnehmer dem Auftraggeber berechtigte Bedenken an und veranlasst dieser eine entsprechende Änderung der Ausführung, muss der Auftragnehmer die geänderte Ausführung einer erneuten Prüfung unterziehen und ggf. Bedenken gegen diese anmelden (OLG Hamburg, Urt. v. 27.04.2016, 11 U 179/09; BGH, Beschluss v. 29.08.2018, VII ZR 126/16). Ein ordnungsgemäß erteilter Bedenkenhinweis muss nach einer Entscheidung des OLG Hamburg (OLG Hamburg, Urt. v. 27.04.2016, 11 U 179/09; BGH, Beschluss v. 29.08.2018, VII ZR 126/16) jedoch dann nicht wiederholt werden, wenn der Auftraggeber aufgrund des Hinweises einen fachlichen Berater eingeschaltet hat, der zu einem anderen Ergebnis gelangt als der Auftragnehmer und es sich beim Auftraggeber nicht um einen unkundigen Bauherrn handelt. Um kein Risiko einzugehen, sollte der Auftragnehmer in diesen Fällen dennoch ein weiteres Mal Bedenken anmelden.

Keine Probleme bereiten die Fälle, in denen die Bedenken des Auftragnehmers unzutreffend sind und der Auftraggeber es bei der ursprünglichen Ausführung belässt, denn insoweit kommt es nicht zu einem Schadensfall.

Sind die dem Auftraggeber ordnungsgemäß angezeigten Bedenken berechtigt, teilt der Auftraggeber diese aber nicht und besteht stattdessen ungeachtet auf die Ausführung der Arbeiten, hat der Auftragnehmer die Vorgaben des Auftraggebers umzusetzen (OLG Köln, Beschluss v. 16.10.2014, 11 U 47/14; BGH, Beschluss v. 21.06.2017, VII ZR 218/14). Im Gegenzug wird der Auftragnehmer von seiner Haftung frei; das heißt, er schuldet weder Nacherfüllung, noch kann der Auftraggeber andere Mängelrechte gegen ihn geltend machen. Er muss die Ausführung der Arbeiten aber verweigern, wenn der Durchführung gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegenstehen oder Gefahr für Leib oder Leben von Personen besteht (OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.7.2004, 17 U 262/01).

Wenn der Auftraggeber auf die fachlich begründeten Bedenken des Auftragnehmers überhaupt nicht eingeht und nicht bereit ist, ihn von einer Haftung freizustellen, darf der Auftragnehmer, ohne vertragsbrüchig zu werden, die Leistung einstellen (BGH, Urt. v. 04.10.1984, VII ZR 65/83).

Nach einem Urteil des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Beschluss v. 21.11.2016, 10 U 71/16) ist der Auftragnehmer auch dann von der Mängelhaftung befreit, wenn er seine Bedenken ordnungsgemäß mitteilt, der Auftraggeber untätig bleibt, darauf nicht reagiert und der Auftragnehmer die Arbeiten fortsetzt. Diese Vorgehensweise des Auftragnehmers ist sehr riskant. Schließlich wertet er das Schweigen des Auftraggebers als Einverständnis mit einer mangelhaften Bauleistung. Zweckmäßiger ist es für den Auftragnehmer, in solchen Fällen bei dem Auftraggeber nochmals nachzufragen und mitzuteilen, dass er bis zu einer Anordnung die Arbeiten, gegen die er Bedenken hat, einstellt, sich dadurch ggf. die Bauzeit verlängert (§ 6 Abs. 2 Nr. 1a VOB/B) und der Auftraggeber die dadurch verursachten Stillstandskosten zu tragen hat.

 

Fazit

Der Bedenkenhinweis ist ein sensibles Thema, dem der Auftragnehmer größte Sorgfalt widmen muss. Schließlich kann ein ordnungsgemäß erteilter Bedenkenhinweis dazu führen, dass der Auftragnehmer von seiner Mängelhaftung befreit ist. Er bewirkt quasi einen Verzicht des Auftraggebers auf seine Mängelrechte. Ein solcher Verzicht setzt jedoch voraus, dass der Auftraggeber den Grund und den Umfang seines Verzichts genau kennt; nur dann kann er wirksam auf seine Rechte verzichten. Diese Kenntnis erlangt er durch eine sorgfältige und umfassende Aufklärung über die Gefahren, die ihm drohen, wenn er den Bedenken des Auftragnehmers nicht folgt. Zum Nachweis, dass der Bedenkenhinweis ordnungsgemäß erfolgt ist, liegt es im Interesse des Auftragnehmers, den Hinweis schriftlich oder zumindest in Textform (per E-Mail) zu erteilen.

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