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GEG-Novelle: Im Gespräch mit Michael Brieden-Segler

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Am 1. November 2020 ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG) erstmals in Kraft getreten. Im Juli 2022 haben Bundesrat und Bundestag der ersten Änderung des GEG zugestimmt. Diese Änderung beinhaltet die Reduzierung des zulässigen Jahresprimärenergiebedarfs im Neubau von bisher 75 % des Referenzgebäudes auf 55 %. Diese Änderung ist nun am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Doch was bedeutet diese Änderung genau und gibt es noch weitere Änderungen, die damit verbunden sind? Antworten darauf gibt Michael Brieden-Segler, Geschäftsführer der e&u energiebüro gmbh.

Auszug aus:

Der Bauleiter
Ausgabe April 2023
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Welche allgemeinen Neuerungen hat die GEG-Novelle gebracht und welche Paragrafen sind hiervon betroffen?

Brieden-Segler: Die größte Neuerung ist, dass die Anforderung an den spezifischen Primärenergiebedarf bei Neubauten für Wohn- als auch für Nichtwohngebäude auf 55 % des Referenzgebäudes gesenkt wurde. Dies betrifft die §§ 15 und 18. Darüber hinaus hat es einige Änderung bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs, insbesondere für Großwärmepumpen, gegeben (§ 22). Eine deutliche Änderung gibt es bei der Anrechenbarkeit von erneuerbarem Strom (§ 23). Die Themen der Energieeffizienz im Bestand sowie der Versorgungstechnik wurden auf die in diesem Jahr anstehende grundlegende Novelle verschoben.

Was bedeutet die Einführung des Mindeststandards Effizienzhaus 55 für Neubauten und welche Veränderungen bringt das für die Baupraxis konkret mit sich?

Zunächst einmal zur Klärung: Der KfW-55-Standard wurde im GEG 2023 nur für den spezifischen Primärenergiefaktor eingeführt, nicht aber für die Anforderungen an die Gebäudehülle. Damit ergeben sich bautechnisch keine Änderungen. Die Absenkung des Anforderungswerts des spezifischen Primärenergiefaktors dürfte allerdings dazu führen, dass bei Neubauten kaum noch fossile Heizungen eingebaut werden, da mit fossilen Heizungen der primärenergetische Anforderungswert nur durch zusätzliche ambitionierte bauliche Maßnahmen zu erreichen ist.

Ursprünglich sollten mit der GEG-Novelle auch die Anforderungen an die Gebäudehülle verschärft werden. Dass dies nicht umgesetzt wurde, haben viele Branchenvertreter kritisiert. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung? Und ab wann sind Verschärfungen an der Gebäudehülle konkret geplant?

Der KfW-55-Standard beinhaltete einerseits die Anforderung, dass der spezifische Primärenergiefaktor 55 % des Referenzgebäudes nicht überschritten werden darf, was im GEG 2023 auch so festgelegt wurde. Gleichzeitig besagt der KfW-55-Standard für die Gebäudehülle, dass der mittlere U-Wert nur 70 % des Referenzgebäudes betragen darf. Dies ist nicht ins GEG übernommen worden. In dem interministeriell abgestimmten Entwurf war die 70-%-Grenze noch enthalten, diese wurde aber aufgrund politischer Intervention wieder herausgenommen.

Dies ist sehr bedauerlich, denn um die Gebäudebeheizung auf erneuerbare Energien umzustellen, muss der Heizenergiebedarf möglichst weit gesenkt werden. Ansonsten wäre es notwendig, erheblich mehr erneuerbare Wärme zu erzeugen. Durch die langjährige Förderung durch die KfW wäre dies fachlich bei Neubauten unproblematisch gewesen. Offensichtlich war aber der Lobbyeinfluss zu stark. Ob dies mit dem für 2025 geplanten KfW-40-Standard korrigiert wird, kann derzeit nicht gesagt werden.

Was hat sich in Bezug auf das Berechnungsverfahren GEG-easy verändert?

Im Rechenverfahren GEG-easy hat es nur kleine Anpassungen gegeben, die aufgrund der geänderten Anforderungen an Neubauten erforderlich waren. Grundsätzlich würde ich aber ohnehin davon abraten, GEG-easy zu nutzen, da es in Bezug auf die Planung sehr unflexibel ist und die Verbrauchswerte nur unzureichend abbildet.

Was ist bei der Sanierung von Wohngebäuden und Nicht-Wohngebäuden im Bestand zu beachten? Haben sich in diesem Bereich Veränderungen ergeben?

Die Anforderungen an die Sanierung haben sich mit der Novelle nicht geändert. Dieser Bereich soll mit der grundsätzlichen Überarbeitung des GEG in diesem Jahr angefasst werden.

Welche Veränderungen hat die GEG-Novelle im gebäudetechnischen Sinn mit sich gebracht?

In der Novelle wurden Bestandsbauten nicht behandelt. Da der Anforderungswert an die Gebäudehülle auch bei Neubauten unverändert geblieben ist, hat es gebäudetechnisch keine neuen Anforderungen gegeben.

Hat es Veränderungen im Hinblick auf die Anrechenbarkeit erneuerbaren Stroms gegeben? Wenn ja, welche und wie wirken sich diese konkret aus?

Hier gibt es eine wesentliche Änderung. Die Berücksichtigung von erneuerbarem Strom war im GEG 2020 von einer monatlichen Betrachtungsweise (EnEV 2013) auf pauschale Jahreswerte umgestellt worden. Die Pauschalwerte waren abhängig von der Anlagengröße sowie der Frage, ob es einen Stromspeicher gab oder nicht. Diese Umstellung hatte sich nicht bewährt. Daher wird im GEG 2023 wieder die monatliche Berechnung berücksichtigt. Zudem sind jetzt auch Anlagen mit einer kompletten Netzeinspeisung anrechenbar. Bisher ging dies nur, wenn der Strom zunächst selbst verbraucht und nur Überschussstrom eingespeist wurde.

Welche maßgeblichen Anpassungen sind im Bereich des GEG für 2024 zu erwarten? Beispielsweise soll ja die 65-%-EE-Pflicht kommen. Demnach soll ab 2024 jede neu errichtete Heizanlage mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden. Was hat es damit auf sich und wie ist hier der Status quo?

Entsprechend den geltenden EU-Richtlinien und dem deutschen Klimaschutzgesetz sollen ab 2045 keine fossilen Energien mehr zur Gebäudeheizung eingesetzt werden. Eine deutliche Verschärfung der Anforderungen ist zusätzlich mit der geplanten neuen EU-Gebäuderichtlinie 2023 zu erwarten. Aufgrund der langen Lebensdauer von Heizungen ist es daher unabdingbar, dass spätestens 2024 keine rein fossilen Heizungen mehr eingebaut werden.

Die Anforderung, dass mindestens 65 % des Wärmebedarfs durch erneuerbare Energien abgedeckt werden, hat genau dies zum Ziel. Ich sehe darin kaum Probleme, da sich die Anlagenhersteller bereits darauf eingestellt haben und hohe Stückzahlen z. B. von Wärmepumpen produzieren. Ebenso hat sich ein Großteil der Handwerksbetriebe auf den Einbau von Wärmepumpen spezialisiert. Auch die meisten Kunden wollen keine fossilen Heizungen mehr, da die Versorgung mit Gas und Öl unsicher und diese mittlerweile sehr teuer ist. Ein Verzicht auf die 65-%-Regel wäre klimapolitisch, aber auch wirtschaftspolitisch eine Katastrophe.

Auch für 2023 ist eine Anpassung des GEG anvisiert. Was erwartet uns hier? Was sollte unbedingt umgesetzt und angepasst werden?

Drei Dinge sind entscheidend, wenn das Ziel des klimaneutralen Gebäudebestands erreicht werden soll:

1. Die Anforderung, dass bei neuen Heizungen mindestens 65 % erneuerbare Energien zum Einsatz kommen müssen, verbunden mit einem Verbot fossiler Heizungen spätestens 2045.

2. Eine deutliche Verschärfung der Anforderungen bei Sanierungen muss kommen. Es ist unakzeptabel, dass etwa für Gebäude, die nach der Wärmeschutzverordnung 1984 gebaut wurden, im Falle einer heutigen Sanierung keinerlei Anforderungen einzuhalten sind: beispielsweise bei nachträglicher Dämmung von Außenwänden, Dächern und anderen Bauteilen. Bisher gilt nur, dass die Energieeffizienz des Gebäudes nicht verschlechtert werden darf.

3. Das Wirtschaftlichkeitsgebot muss aus dem GEG gestrichen werden. Klimaschutz darf nicht wie bisher der privaten Wirtschaftlichkeit untergeordnet werden. Dies ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr 2021 zur Generationengerechtigkeit der erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen.1

BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18 –, Rn. 1–270, https://www.bverfg.de/e/rs20210324_1bvr265618.html.

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