BAUKOSTEN

Nachtragsmanagement: Checkpunkte für Nachtragsvereinbarungen

Text: Dr. D. Eisert | Foto (Header): © natali_mis – stock.adobe.com

Die Ursache von Änderungen im Projektverlauf kann unterschiedlichen Ursprungs sein. Nachträge dienen der Anpassung bereits vergebener Bau- oder Dienstleistungen an unvorhergesehene Änderungen. Sie bergen ein nicht unbeträchtliches Risiko von Terminverschiebungen und Preiserhöhungen und müssen somit hinsichtlich ihrer Notwendigkeit als auch ihrer Auswirkung auf das Projekt sehr genau geprüft werden.

Auszug aus:

Der Bauleiter
Ausgabe Dezember 2018
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Änderungen

Änderungen der ursprünglichen Planung gehören aufgrund der Projekteigenschaft „Außergewöhnlichkeit“ bei einem Bauprojekt immer dazu und sind somit wichtiger Bestandteil der Bau- und Projektleitung. Aus diesem Grund muss der Änderungsdurchlauf strukturiert ablaufen, um „wilde“ Änderungen auszuschließen. Im Grunde verlaufen Änderungen in drei Phasen:

1. Der Antrag (Change Request):
Der Antragsteller beantragt eine Abweichung von der ursprünglichen Konfiguration. Das kann technische, terminliche oder organisatorische Gründe haben. Antragsteller können Kunden, eigene Mitarbeiter oder externe Stellen sein, die ins Projekt involviert sind. Die Änderungsanträge sind fortlaufend zu nummerieren. Die Änderungsliste, als Übersicht über alle Anträge, wird in tabellarischer Form dem Projektfortschrittbericht als Anlage beigefügt, um jederzeit den Entwicklungsverlauf des Projekts nachvollziehen zu können. Der Antrag ist formal auf Vollständigkeit zu prüfen, um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.

2. Die Prüfung und Entscheidung:
Es sollte im Projekt eine zentrale Entscheidungsstelle existieren, am einfachsten der Projektleiter. Er prüft den Antrag, holt ggf. fachliche Informationen zur Entscheidungsfindung ein, beurteilt die inhaltlichen, terminlichen und finanziellen Konsequenzen und trifft die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Änderungsantrags. Mit der Umsetzung einer genehmigten Änderung ergibt sich meistens eine Beauftragung in Form neuer Aufträge oder Nachträge zu bestehenden Aufträgen.

3. Umsetzung:
Wird der Änderungsantrag angenommen, müssen die Betroffenen informiert und die Dokumentation muss entsprechend aktualisiert werden. Damit wird sichergestellt, dass die Änderung in der Realität ankommt und die Änderungen auch im Nachhinein nachvollziehbar sind.

 

Nachtragsmanagement

Der Begriff Nachtrag wird verwendet zur Durchführung von Leistungen, die entweder zur Erreichung des Vertragsziels notwendig sind, jedoch nicht vereinbart waren, oder um eine Erweiterung des Vertragsgegenstands zu erzielen. Die Standardvorgehensweise bei der Bildung eines Nachtrags sollte durch die Überleitung einer Mehr- oder Mindestkostenforderung in einen Nachtrag erfolgen. Der Aufbau eines Nachtragsangebots (Planungs- bzw. Bauleistungen) soll u. a. berücksichtigen:

  • Auftragsnummer
  • Planungsleistungen bzw. Gewerk
  • Nachtragsnummerierung
  • Kurzbeschreibung der Nachtragsleistung
  • Leistungsbeschreibung (Planungs-Soll/Planungs-Ist) bzw. (Bau-Soll/Bau-Ist)
  • Ursachen der Veränderung und Begründung
  • honorarrechtliche bzw. vertragsrechtlicheAnspruchsgrundlage
  • Höhe der Nachtragsforderungen
  • Nachweis der Kalkulationsansätze/Hauptangebot bzw. Urkalkulation
  • Gegenüberstellung der Mehr- und Minderkosten

Das Nachtragsangebot ist frühzeitig einzureichen, um noch vor der eigentlichen Ausführung eine Vereinbarung treffen zu können. Grundsätzlich ist die unverzügliche schriftliche Anzeige noch vor der Ausführung gefordert. Der abgestimmte Ablauf der Nachtragsprüfung und die Beauftragung sollte in der Anlage „Ablauf Nachtragsprüfung“ festgelegt sein. Für die Qualitätskontrolle sollten die wesentlichen Einzelschritte zur Prüfung und Bewertung von vorliegenden Nachträgen in der Anlage „Anforderungen zur Nachtragsprüfung“ zusammengefasst sein.

 

Bauvertragsrecht 2018 vs. VOB/B

In der Regel sprechen wir beim Nachtragsmanagement von Nachträgen auf der Basis der VOB, die durch ausführende Firmen umgesetzt werden. Hierfür gilt somit die VOB Teil B. Durch die Überarbeitung des Bauvertragsrechts kommt es hier jedoch zu Änderungen, da das Bauvertragsrecht über die VOB geht.

Hinweis

Achtung: Neben der VOB ist auch unbedingt das neue Bauvertragsrecht zu beachten!

Nachfolgend kurz zwei wesentliche Abweichungen zwischen VOB und BGB 2018:

Anordnung von Nachtragsleistungen §§ 1 Abs. 3, 4 VOB/B und § 650b BGB

  • Anordnung nach BGB muss in Textform ergehen.
  • Anordnung muss der Auftragnehmer nach BGB nur ausführen, wenn ihm diese zumutbar ist.

Vergütungsanpassung bei Anordnungen §§ 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B und 650c BGB

  • § 650c Abs.1: Preisanpassung nach den tatsächlichen Kosten (ex post Sicht)
  • § 650c Abs. 2: Rückgriff auf die Urkalkulation (ex-ante Sicht)

 

Prüfablauf

Zur qualifizierten Prüfung eines Nachtrags werden diverse Unterlagen benötigt:

  • Prüfunterlagen
  • Nachtragsangebotsschreiben
  • Kalkulationsnachweis
  • Freigabepläne
  • Erläuterung/Begründung
  • Urkalkulation
  • Planunterlagen

Ferner ergibt die Einholung fachlicher Stellungnahmen bei Bedarf Sinn. Folgende Fachleute kommen i. d. R. dafür in Betracht:

  • Projektsteuerer
  • Baumanager
  • Massenprüfer
  • Jurist
  • Statiker
  • Fachplaner
  • Sonderfachleute
Anspruchsgrundlage Paragraf
Mengenänderung § 2 Abs. 3 VOB/B
Leistungsänderung § 2 Abs. 5 VOB/B
neue Leistung § 2 Abs. 6 VOB/B
Pauschalenkorrektur § 2 Abs. 7 VOB/B
Leistung ohne Auftrag § 2 Abs. 8 VOB/B
Schadenersatz § 6 Abs. 6 VOB/B

 

Aus den einzelnen Paragrafen ergeben sich folgende Punkte:

  • Mengenabweichung > 10 %
  • Anordnung des Auftraggebers liegt vor.
  • Auftragnehmer-Ankündigung über Vergütungsanspruch vor Ausführungsbeginn liegt vor.
  • Pauschalpreis unzumutbar wegen erheblicher Abweichungen in der Ausführung
  • Leistung war notwendig.
  • Unverzügliche Anzeige ist erfolgt.
  • nachträgliche Anerkennung
  • Behinderungsanzeige ist erfolgt.
  • Der konkret entstandene Schaden wird nachvollziehbar nachgewiesen.
  • Vorsatz des Auftraggebers liegt vor.

Die Prüfung jeder einzelnen Nachtragsposition orientiert sich an folgenden Prüfschritten:

  1. Beschreibung Bau-Soll
  2. dargestellt und beschrieben (in Position, Plan, Dokument etc.)
  3. Beschreibung Bau-Ist
  4. dargestellt und beschrieben (in Position, Plan, Dokument etc.)
  5. Beschreibung Abweichung
  6. Anordnung der Leistung
    mündlich
    schriftlich
    durch freigegebene Ausführungspläne
  7. Anmeldung des Vergütungsanspruchs
    durch Auftragnehmer
    durch Mehrkostenanmeldung, Nummer und
    Datum
    durch anderes Dokument
    mündlich
    nicht angemeldet
  8. Auswirkung auf die Bauzeit
    Vorbehalt in Mehrkostenanmeldung
    Vorbehalt in Nachtragsangebot
  9. Bezug zum Hauptvertrag
    Leistung im Hauptvertrag enthalten
    vergleichbare Position im HLV enthalten
    Leistungen in einem anderen NA enthalten
    Greift Leistung auf anderen Vertrag über?
    entfallene Leistungen aus dem HLV
    erkennbare Nebenleistung gemäß VOB/C
  10. Angaben zur Leistungsart
    Mengenänderung (§ 2 Abs. 3 VOB/B)
    geänderte Leistung (§ 2 Abs. 5 VOB/B)
    zusätzliche Leistung (§ 2 Abs. 6 VOB/B)
    nachträglich anzuerkennende Leistung
    (§ 2 Abs. 8 VOB/B)
  11. Menge/Einheit gemäß
    Nachtrag
    Einschätzung
    Aufmaß

Ferner ist die Ursache des Nachtrags zu ermitteln und ausführlich anhand folgender Punkte zu begründen:

  • fehlt in der Entwurfsplanung/Genehmigungsplanung
  • fehlt in den Verdingungsunterlagen
  • Die Leistung ist nicht umfassend oder nicht richtig beschrieben.
  • Änderungen auf Wunsch des Auftraggebers
  • Entwurf war nicht realisierbar.
  • Fehler in Ausführungsplanung
  • Änderung aufgrund örtlicher Gegebenheiten
  • Änderungen aufgrund geänderter Anforderungen/Vorschriften/Qualitäten
  • Fehler bei der Bauausführung
  • terminliche Zwänge
  • Gefahr im Verzug

 

Zusammenfassung

Trotz der sorgfältigen Prüfung der Nachträge dem Grunde und der Höhe nach, ist es oftmals schwierig ein eindeutiges und gerechtes Ergebnis zu erzielen. Dies ist nicht zuletzt durch die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten bedingt. Die Anzahl der Nachträge bei einem mittelgroßen Bauprojekt variiert von einigen wenigen bis zu mehreren hundert Nachträgen. Hierbei halten sich die Summen der eingereichten Nachträge zwischen fünf und über 100 % des Auftragsvolumens.

Tipp

Es ist wichtig, die Prüfung vollumfänglich und objektiv durchzuführen, um im Anschluss eine zügige einvernehmliche Vereinbarung bzw. Beauftragung auf dem Wege der Verhandlung zu erzielen. Dies spart Zeit, Ärger und Mehraufwendungen bei allen Beteiligten und gibt darüber hinaus Klarheit, das Budget und den Termin betreffend.

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