SICHERHEIT, GESUNDHEIT & UMWELT

Haftung für Schadstoffe am Gebäude und im Boden: Vorsorge und Vermeidung

Von Dr. H. Mohr | Foto (Header): © nachbelichtet – stock.adobe.com

Die Verwendung schadstofffreier oder sogar ökologischer Baustoffe ist im Bewusstsein von Bauherren heute fest verankert. Ein gesteigerter Sinn für Gesundheit und Umwelt, genährt durch gestiegene Ansprüche und in der Vergangenheit bekannt gewordene Schadensrisiken, hat hierzu geführt. Die Umsetzung dieser Forderung bereitet allerdings oft Schwierigkeiten. So bestehen Risiken nicht nur bei den Baustoffen im Bestand, sondern auch bei Schadstoffen im Boden (Altlasten).

Auszug aus: Der Bauleiter | Oktober 2022

Der Bauleiter
Ausgabe Oktober 2022
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Es liegt im eigenen Interesse des Bauherrn, bei der Errichtung eines Bauwerks Vorgaben zum Gesundheitsschutz festzulegen. In der werkvertragsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung wird deshalb umfangreich die Frage behandelt, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum (Problem der Verjährung!) der Anspruch des Bauherrn auf eine vertragsgerechte und damit mangels weiterer Vorgaben im Werkvertrag auch gesunde Bauausführung besteht. Diese Frage ist für den Bauherrn nicht nur zum Schutz der eigenen Gesundheit von Bedeutung, sondern hat auch wirtschaftliche Folgen, da die Nutzung eines Gebäudes hiervon abhängt.

Die bauordnungsrechtliche Verantwortung

Es gibt eine oft übersehene bauordnungs- und polizeirechtliche Verantwortung für die Beachtung der öffentlichen Sicherheit von Gebäuden. Diese ist zeitlich nicht auf den Errichtungszeitraum des Gebäudes oder die Dauer der werkvertragsrechtlichen Verjährung beschränkt. Für Bauwerke wird sie in den Landesbauordnungen gefordert (z. B. § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO BW und Art. 3 Abs. 1 Satz BayBO). Diese Pflicht zur Beachtung der öffentlichen Sicherheit, zu der vorrangig die menschliche Gesundheit gehört, trifft nicht nur den Bauherrn, sondern alle in den Bauordnungen genannten am Bau Beteiligten. Dazu gehören auch Bauunternehmer und Bauleiter. Bei Vorliegen einer Gefahr (Grundlage hierfür ist eine Prognoseentscheidung  der Behörde im Vorhinein) können von der Baubehörde Ordnungsmaßnahmen gegen diese Personen getroffen werden. Dies gilt nicht nur für die Auswirkungen eines Bauvorhabens auf die Umgebung (Baustellenlärm), die den Bauherrn wegen seiner räumlichen Abwesenheit regelmäßig nicht berühren, sondern auch für Gefahren im zu errichtenden Bauvorhaben. Schadstoffe jedweder Art, die entweder von außen in das Gebäude eindringen (z. B. Methangas aus dem Boden) oder im Gebäude verwendet werden (z. B. asbesthaltige Stoffe), können somit Untersagungs- oder Beseitigungsanordnungen der Baubehörde auslösen.

Ein Beispiel
Wegen der bekannten Lungenkrebsgefahren, ausgelöst durch Asbestfasern, ist die Verwendung von Asbest seit 1993 verboten und der Umgang mit Asbest durch Vorschriften des Gefahrstoffrechts geregelt. In gebundener Form ist das Risiko durch Asbestfasern zwar gering. Gefährlich ist aber die Freisetzung von gebundenen Asbestfasern beim Gebäudeabbruch oder bei vergleichbaren Maßnahmen, etwa dem Abspritzen eines alten Welleternitdaches mit einem Hochdruckreiniger. Trotz des langen Verbotszeitraums wird um Asbest auch heute noch häufig vor Gericht gestritten.

Die bodenschutzrechtliche Haftung

Das Thema Altlasten (Gefahrstoffe) im Boden wird zwar durch die Umweltbehörden schon seit den 1990er-Jahren erforscht und ist seit dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) vom März 1999 (statt vorausgegangener Ländergesetze) bundeseinheitlich geregelt. In der Praxis gibt es aber immer wieder Fälle, bei denen man heute noch auf bisher nicht bekannte oder nicht in ihrem genauen Umfang bekannte Altlasten im Boden stößt. So kann bei alten Deponien das in den Keller eines Hauses eindringende Methangas Gefahren auslösen.

Wenn die Verantwortung für die Altlast, z. B. der Deponiebetrieb für das Methan, nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, kann die Behörde statt auf den früheren Verursacher – den Deponiebetreiber – auch auf den jetzigen Grundstückseigentümer (als sogenannten Zustandsstörer) zugreifen. Die Verantwortung des Grundstückseigentümers besteht nicht nur für Gefahren durch die schädliche Altlast im Boden für Menschen im Gebäude, sondern auch für die mögliche Ausbreitung des Schadstoffs in das Grundwasser. Grundwassersanierungen sind aufwendig und damit teuer!

Die Kriterien für die Störerauswahl

Die Behörde kann zwar nach polizeirechtlichen Grundsätzen im Bau- wie im Bodenschutzrecht unter den Verantwortlichen (Verursacher oder Eigentümer/Zustandsstörer) auswählen. Die Entscheidung wird aber maßgeblich davon bestimmt, wer am schnellsten in tatsächlicher und finanzieller Hinsicht in der Lage ist, den gefährlichen Zustand zu beseitigen. Die materielle Gerechtigkeit spricht zwar für die Verpflichtung des Bauunternehmers oder des Verursachers der Altlast, die aber nicht vorrangig ist. Ebenso kann der Bauherr verpflichtet werden, insbesondere, da er über das Bauwerk oder das belastete Grundstück verfügen kann, was die Maßnahme der Gefahrbeseitigung erleichtert.

Mit der Fertigstellung des Gebäudes endet die Verantwortung der am Bau Beteiligten nach den Landesbauordnungen der Länder. Das ändert aber nichts daran, dass die Polizei, nun nach den Polizeigesetzen der Länder, bei einer Gesundheitsgefahr durch das Bauwerk einschreiten kann oder bei einer akuten Gesundheitsgefahr sogar muss. Hierbei kann von der Behörde zwar wiederum eine Auswahl zwischen dem Verursacher und dem Zustandsstörer (Eigentümer oder Besitzer) getroffen werden. Da der Unternehmer aber nicht mehr auf der Baustelle zu greifen ist, spricht bei dieser Störerauswahl vieles wie während der Bauphase für den Bauherrn, für dessen finanzielle Leistungsfähigkeit das vorhandene Bauwerk spricht. Die mögliche Haftung des Bauherrn für Altlasten im Boden als Zustandsstörer neben dem Verursacher ändert sich durch die Fertigstellung des Bauwerks nicht.

Das Risiko der bodenschutzrechtlichen Haftung des Eigentümers

Die im vorausgegangenen Abschnitt angesprochene Haftung des aktuellen Grundstückseigentümers ist aus praktischen Gründen von großer Bedeutung. Altlasten haben oft eine lange Entstehungsgeschichte, die in Jahrzehnte des sorgloseren Umgangs mit Schadstoffen zurückreicht. Deshalb ist die gerichtsfeste Ermittlung des Verursachers durch die Behörde heute oft nicht mehr möglich. Außerdem werden die seit den 1990er-Jahren nach Aktenstudium ermittelten möglichen Schadensfälle teilweise bis heute nur schleppend von den Behörden bearbeitet.

Von den Verwaltungsgerichten ist anerkannt, dass zwar mögliche Verursacher zur Bestimmung eines Handlungsstörers von der Behörde überprüft werden müssen, aber nicht mit unzumutbarem Aufwand. Dabei spielen nicht nur technische Schwierigkeiten der Ermittlung eine Rolle (Wer hat wann, wo und wie viel verursacht?), sondern auch rechtliche Sachverhalte (Rechtsnachfolgen, Umwandlungen des früheren Verursachers). Von den Verwaltungsgerichten ist zudem anerkannt, dass der Anspruch auf Sanierung nicht verjähren kann und durch langes Liegenlassen der Akten auch nicht verwirkt wird. Der „Dumme“ ist dann der jetzige Eigentümer als Zustandsstörer. Dieser hat zwar einen zivilrechtlichen Rückgriffsanspruch nach dem BBodSchG gegen den Verursacher, hat dabei aber die gleichen Beweisprobleme, die die Behörde veranlasst hat, ihn selbst heranzuziehen.

Asbest: Prozessgeschichte ohne Ende

Die Gefährlichkeit des kanzerogenen Asbests ist bekannt, die Verwendung seit Langem untersagt. Trotzdem sorgt die frühere Verbreitung von Asbest heute noch für Probleme. Das bereits geschilderte öffentlich-rechtliche Haftungsrisiko des Eigentümers als Zustandsstörer führt dazu, dass um die Haftungsfrage für Asbest oder andere Schadstoffe zwischen den Parteien von Grundstückskaufverträgen in zahllosen Fällen vor den Gerichten gestritten wird. Wenn der Verkäufer – wie im Regelfall – seine Gewährleistung für die Beschaffenheit der Kaufsache ausgeschlossen hat, hilft dem Käufer nur der Nachweis der Arglist, um dennoch Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können. Dieser Beweis gelingt nicht immer. Nachfolgend ein Beispiel hierfür:

Ein im Jahr 1980 in Fertigbauweise errichtetes Haus wurde später unter Gewährleistungsausschluss verkauft. In dessen Außenfassade waren Asbestzementtafeln verarbeitet worden, was der Verkäufer wusste. Der Streit zwischen Verkäufer und Käufer ging zweimal zum Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 12.11.2010, V ZR 181/09) und wurde zuletzt nochmals an das Oberlandesgericht (OLG) zurückverwiesen.

Der Käufer hatte wegen Arglist des Verkäufers die Sanierungskosten als Schadensersatz eingeklagt. Im ersten Verfahren hatte das OLG die Klage abgewiesen, weil die asbesthaltige Fassade keinen Mangel begründe. Das wäre nur dann der Fall, wenn es bei der Beurteilung des Mangels auf die Frage ankommen würde, ob Asbest ohne Eingriff in die Außenfassade in die Luft freigesetzt wird. Dies war zu verneinen. Tatsächlich ist aber schon das Vorhandensein eines Schadstoffs ein Mangel. Im zweiten Verfahren vor dem OLG (nach der ersten Zurückverweisung durch den BGH) wies dieses erneut die Klage ab, weil in der ursprünglichen Baubeschreibung die Verwendung von Asbestzementtafeln für den Käufer ersichtlich war, weshalb der Vorwurf der Arglist entfiel (die Erkenntnismöglichkeit des Käufers als Voraussetzung lag vor). Im konkreten Fall verlangte der BGH in seinem zweiten Urteil aber nicht, dass der Käufer die nur in den Finanzierungsunterlagen enthaltene Baubeschreibung durchsehen musste, um auf den Asbest zu stoßen. Der Verkäufer musste deshalb zur Widerlegung der Arglist konkret darlegen, dass der Käufer auf die Verwendung von Asbest hingewiesen worden war. Das Argument, der Verkäufer sei davon ausgegangen, dass der Käufer durch den Makler von der Asbesthaltigkeit der Fassade Kenntnis erlangt hätte, ließ der BGH dabei nicht gelten.

Ein weiterer Fall zeigt die Folgen eines Asbestfunds bei Renovierungsarbeiten im Wohnungseigentum. Eine Eigentümergemeinschaft und die Verwalter von Wohnungseigentum wollten in einigen betroffenen Wohnungen asbesthaltige Bodenplatten entfernen und durch andere Beläge ersetzen lassen. Beim Entfernen des Bodenbelags blieben auf dem Estrich asbesthaltige Klebstoffreste haften, die nicht entfernt, sondern dort belassen und versiegelt oder verdeckt werden sollten.

Hiervon wurde die zuständige Behörde unterrichtet. Diese wies die Eigentümerinnen/Verwalterinnen darauf hin, dass die bei der Sanierung von Asbestplatten zu beachtende Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die hierzu bestehenden technischen Regelwerke (TRGS: Technische Regeln für Gefahrstoffe) zunächst eine Untersuchung des unter den alten Platten befindlichen Klebers fordern. Zudem seien Klebstoffe, sofern deren Asbestfreiheit nicht positiv festgestellt wird, regelmäßig zu entfernen. Die Klage der Eigentümerinnen/Verwalterinnen auf Feststellung, dass sie zu der vorgesehenen Vorgehensweise berechtigt seien, wurde vom Verwaltungsgericht Arnsberg (Urteil vom 08.11.2018, 6 K 7090/17) abgewiesen. Angesichts der bekannten Gefährlichkeit von Asbest (Lungenerkrankungen durch Asbestfasern), kommt es nicht auf die tatsächliche Freisetzung von Asbest durch die geplante Tätigkeit an, sondern schon auf den möglichen bloßen Kontakt mit dem Gefahrstoff.

Die für ein Verbot ausreichende abstrakte Gefährdung von Personen besteht deshalb bereits bei Arbeiten im unmittelbaren Gefährdungsbereich des Gefahrstoffs, wie hier beim Einschließen oder Überdecken asbesthaltiger Klebstoffreste. Es gibt zwar einen Ausnahmetatbestand für Abbruch-, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten (ASI-Arbeiten, Anhang II Nr. 1 zur GefStoffV). Der Abbruch erfordert jedoch einen Rückbau oder die Entfernung baulicher Anlagen oder Anlagenbestandteile. Das Versiegeln oder Überdecken stellt kein Entfernen dar. Eine Instandhaltung des Bodens sollte ebenfalls nicht erfolgen. Auch eine Sanierung lag nicht vor, weil das von dem asbesthaltigen Kleber ausgehende Gefährdungspotenzial bei der hier geplanten Beschichtung/ Überbauung unverändert bestehen blieb.

Sollte bei der geforderten Untersuchung tatsächlich Asbest festgestellt werden, sind umfangreiche Schutzmaßnahmen zur Vermeidung der Freisetzung von Asbestfasern bei der Durchführung der Arbeiten erforderlich. Die Missachtung der Vorschriften ist bußgeldbewehrt.

Gesundheitsgefahr Eichenprozessionsspinner

Gesundheitsgefahren können nicht nur aus dem Gebäude oder dem Boden herrühren, sondern auch andere Ursachen haben. Das Haftungsrisiko des Gebäudeeigentümers besteht auch in solchen Fällen. In einem vom Verwaltungsgerichtshof Bayern entschiedenen Fall (Beschluss vom 11.06.2019, 10 CS 19.684) ging die Gesundheitsgefahr nicht von der Gebäudesubstanz aus, sondern von den Brennhaaren des Eichenprozessionsspinners, der einen Baum befiel. Die Verantwortung des Grundstückseigentümers als polizeirechtlichem Zustandsstörer ist grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden für diesen Zustand. Es kann zwar auch der Verursacher als Handlungsstörer herangezogen werden. Einen solchen Störer gab es aber in diesem Fall nicht, da die Eichenprozessionsspinner unbeeinflusst von menschlichem Handeln den schadhaften Baum befallen hatten.

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