BAURECHT

Sicherungsmaßnahmen im Winter:
Wer trägt welche Risiken und Kosten?

Text: Guido Sandmann | Foto (Header): © photo 5000 – stock.adobe.com

In den Wintermonaten sind Bauleistungen besonders schlechten Witterungsbedingungen ausgesetzt. Die Gefahr, dass unfertige und noch nicht abgenommenen Bauleistungen durch Eis, Schnee und tiefe Temperaturen beschädigt werden, ist deutlich größer als in den wärmeren und trockeneren Monaten des Jahres. Damit stellt sich die Frage, ob und welche Schutzmaßnahmen ein Bauunternehmer oder Handwerker auch ohne besondere Vereinbarung im Bauvertrag zum Schutz seiner eigenen Leistung schuldet und ob sich der Auftraggeber an diesen Schutzmaßnahmen zu beteiligen hat.

Auszug aus:

Informationsdienst Bauleitung
Ausgabe Oktober 2023
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Vorgaben des BGB

Die grundsätzliche Risikoverteilung gibt das Werkvertragsrecht in § 644 BGB vor. Nach § 644 Abs. 1 BGB trägt der Unternehmer die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes. Die Gefahrtragung bezieht sich auf das Risiko einer teilweisen oder auch vollständigen Zerstörung des noch nicht abgenommenen Werkes bis zur Abnahme.

Die sog. Leistungsgefahr endet erst, wenn der Auftraggeber die Abnahme erklärt. Mit der Abnahme geht das Risiko der Verschlechterung oder auch des Untergangs des Werkes auf den AG über. Da der Unternehmer nur einmal die Vergütung für seine vertragliche Leistung erhält und diese erst mit Abnahme fällig wird, § 641 Abs. 1 BGB, trägt er auch das Risiko, dass er für eine vor der Abnahme durch Witterungseinflüsse beschädigte Leistung, die keine der Vertragsparteien zu verantworten hat, nur einmal bezahlt wird.

Weder das Werkvertragsrecht noch das Bauvertragsrecht enthalten spezielle Regelungen dazu, wie oder wann der Unternehmer sein Werk vor der Abnahme gegen Witterungseinflüsse zu schützen hat. Damit dürfte grundsätzlich auch ein umfangreicher, ggf. langwieriger und teurerer Schutz der noch nicht abgenommenen Leistung in der Kalkulation ausreichend zu berücksichtigen sein.

Der Unternehmer hat die Verpflichtung, die bestellte Werkleistung zum Abnahmezeitpunkt im Wesentlichen ohne Mängel und Restleistungen herzustellen. Er muss also nicht nur die notwendigen Materialkosten, seinen Arbeitsaufwand, die AGK und BGK, Wagnis und Gewinn kalkulieren, sondern auch die Maßnahmen, die notwendig werden, um seine Leistung bis zur Abnahme zu schützen.

Wenn also bei Vertragsabschluss klar ist, dass die Leistung über den Winter hinaus auszuführen ist, gehört es zu einer ordnungsgemäßen Kalkulation, auch Winterschutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Hierzu muss der Auftraggeber nicht auffordern! Es ist Sache des Auftragnehmers, in seinem Angebot oder den Vertragsverhandlungen zu klären, welche Schutzmaßnahmen in seinen Angebotspreisen enthalten sind und welche nicht bzw. für welchen Zeitraum diese Schutzmaßnahmen kalkuliert sind.

Vorgaben der VOB/B

Die VOB/B regelt konkreter als das BGB die Schutzpflichten des Auftragnehmers. Unter der Überschrift „Ausführung“ werden in § 4 VOB/B deutlich konkreter als im Bauvertragsrecht des BGB die Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien während der Leistungsausführung geregelt. Unter § 4 Abs. 5 Satz 1 VOB/B wird festgelegt, dass der AN die von ihm ausgeführten Leistungen und die von ihm für die Ausführung übergebenen Gegenstände bis zur Abnahme vor Beschädigung und Diebstahlschutz zu schützen hat.

In § 4 Abs. 5 S.2 VOB/B wird im Hinblick auf Schutzmaßnahmen im Winter formuliert: „Auf Verlangen des Auftraggebers hat er sie vor Winterschäden und Grundwasser zu schützen, ferner Schnee und Eis zu beseitigen.“

Im § 4 Abs. 5 Satz 3 VOB/B wird schließlich klargestellt, dass der AN einen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B hat, wenn der AG Winterschutzmaßnahmen sowie die Beseitigung von Schnee und Eis verlangt, es sei denn, diese Maßnahmen wären im Vertrag bereits ausdrücklich als Teil der Leistung des AN vereinbart.

Vergütung
Anders als im BGB differenziert die VOB/B in § 4 Abs. 5 die Risikoverteilung für den Schutz der Leistung vor der Abnahme. Schutzmaßnahmen vor winterlichen Witterungsbedingungen und die Beseitigung von Schnee und Eis sind nicht automatisch immer Sache des AN. Allerdings lässt die VOB/B zu, dass die Vertragsparteien bereits im Bauvertrag regeln, dass der Unternehmer auch alle notwendigen Winterschutzmaßnahmen zu erbringen und Eis und Schnee zu beseitigen hat, damit seine Leistungen nicht beschädigt werden und er die Leistung auch weiter ausführen kann. In diesen Fällen gehört die Verpflichtung des AN, seine Leistung auch vor winterlichen Witterungsbedingungen zu schützen, von Anfang an zur vertraglichen Leistung. Er kann für diese später keine zusätzliche Vergütung mehr geltend machen.

Allerdings beschränkt sich der Umfang der Schutzmaßnahmen auf die im VOB/B-Vertrag geregelten Leistungen. Ändert sich der Umfang und fordert der AG zusätzliche Schutzmaßnahmen, steht dem AN ein Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B zu.

Sollte im ursprünglichen VOB/B-Vertrag keine Regelung enthalten sein, die dem AN diese Schutzmaßnahmen von Anfang an auferlegt, kann der AG jederzeit verlangen, dass diese Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Dann muss er diese Winterschutzmaßnahmen nach § 2 Abs. 6 VOB/B vergüten.

Im Ergebnis erhält der Unternehmer im Rahmen eines VOB/ B-Vertrags also grundsätzlich immer eine Vergütung für Schutzmaßnahmen im Winter und für die Schnee- und Eisbeseitigung.

Keine Vorgaben für konkrete Winterschutzmaßnahmen

Wie die unfertige, nicht abgenommene Leistung des AN vor Winterschäden zu schützen ist, regelt die VOB/B nicht.

Der Unternehmer sollte daher die geeigneten Leistungen kalkulieren, sofern die entsprechende Verpflichtung im Vertrag gleich übertragen wird, oder später in einem Nachtragsangebot, wenn der Auftraggeber erst aus einem aktuellen Anlass heraus die Ausführung von Schutzmaßnahmen der Leistung vor winterlichen Bedingungen fordert.

Er muss in diesem Fall darauf hinweisen, dass es sich um eine zusätzliche Leistung handelt, die einen zusätzlichen Vergütungsanspruch auslöst, § 2 Abs. 6 Abs. Nr. 1 Satz 2 VOB/B. Vergisst er die Anmeldung des zusätzlichen Vergütungsanspruchs, wird er ggf. seinen Zahlungsanspruch verlieren. Nach wie vor wird diese Ankündigung vor Ausführung als Anspruchsvoraussetzung gesehen.

Zudem wird für den Unternehmer eine Hinweis- und Bedenkenpflicht bestehen. Er muss erkennen, ob seine unfertige Leistung durch winterliche Witterungsverhältnisse gefährdet wird. Wenn im Vertrag keine Winterschutzmaßnahmen geregelt sind, muss er den Auftraggeber auf diese Gefährdung hinweisen und sollte ihm konkrete Schutzmaßnahmen vorschlagen. In diesem Zusammenhang muss er dann darauf hinweisen, dass diese Schutzmaßnahmen eine zusätzliche Leistung darstellen, die gesondert zu vergüten ist.

Risiko des AG
Der Auftraggeber, der einen VOB/BVertrag vereinbart, in dem nicht von Anfang an geregelt ist, dass der AN auch Winterschutzmaßnahmen und die Schnee- und zisbeseitigung erbringt und diese Leistungen in seine Preise einzurechnen hat, übernimmt ein gewisses Risiko.

Wenn der AN im Winter dann darauf hinweist, dass sein Gewerk vor den Witterungseinflüssen zu schützen ist, obliegt dann dem Auftraggeber, zu entscheiden, ob und welche Winterschutzmaßnahmen ausgeführt werden. Er muss als Auftraggeber die notwendigen Winterschutzmaßnahmen planen und zur Ausführung anweisen. Er muss diese Maßnahmen damit nicht nur nach § 2 Abs. 6 VOB/B als zusätzliche Leistung vergüten. Er hat auch das Risiko, dass die von ihm vorgegebenen Winterschutzmaßnahmen ausreichend
sind.

  • Insoweit muss der AG nicht nur seinen Architekten/Ingenieur eindeutig mit der Planung eines ausreichenden Winterschutzes beauftragen.
  • Er muss der Bauüberwachung auch den Auftrag erteilen, die ordnungsgemäße Ausführung des Winterschutzes zu überprüfen und sicherzustellen, dass die planerisch vorgesehenen Leistungen ausreichend sind und richtig umgesetzt werden.
  • Zudem sollte er sich vom AN ausdrücklich bestätigen lassen, dass die angeordneten Schutzmaßnahmen ausreichend sind.

Vorgaben der VOB/C

In den diversen Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) für die Bauleistungen, die in der VOB/C geregelt sind, gibt es Vorgaben zu den Schutzmaßnahmen, welche der AN zu beachten hat.

Die DIN 18299 „Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ regelt grundsätzlich bereits unter 4.1.4, dass als Nebenleistung und damit mit der vertraglichen Vergütung bereits abgegolten, Schutz- und Sicherungsmaßnahmen nach den staatlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelwerken zum Arbeitsschutz zur vereinbarten Leistung gehören.

Unter 4.1.10 wird geregelt, dass die Sicherung gegen Niederschlagswasser, mit dem normalerweise gerechnet werden muss, Nebenleistungen sind, die mit dem vertraglichen Honorar abgegolten sind.

Als Besondere Leistung nach 4.2 der DIN 18299 wird unter 4.2.6 bestimmt, dass Leistungen für besondere Schutzmaßnahmen gegen Witterungsschäden, Hochwasser und Grundwasser nicht automatisch zum Leistungsumfang gehören, sondern nur auf Anweisung des AG zu erbringen sind.

Unter 4.2.16 der DIN 18299 wird speziell für die schlechte Witterungszeit geregelt, dass zusätzliche Leistungen für die Weiterarbeit bei Frost und Schnee nur zu erbringen sind, wenn der AN sie nicht bereits vertraglich vereinbart hat.

Besondere Leistungen nach der DIN 18299 sind also nur zu erbringen, wenn sie nicht bereits ausdrücklich im Vertrag als Teil der Hauptleistung vereinbart sind. Sie sind in diesem Fall dann nur gegen eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/ B zu erbringen.

Klarstellende Regelungen zu den Schutzmaßnahmen bei den einzelnen Gewerken sind jeweils in den einschlägigen DIN-Normen und unter den dortigen Vorgaben für Nebenleistungen und Besondere Leistungen zu finden.

 

Vertragliche Regelungen

Bei Abschluss eines Bauvertrags, sei es nach BGB oder nach VOB/B, besteht Vertragsfreiheit. Die Parteien können für den jeweiligen Vertrag frei vereinbaren, ob sie von Anfang an klare Regelungen für Winterbaumaßnahmen, den Schutz der teilfertigen und nicht abgenommenen Leistungen oder auch den Aufwand für die Beseitigung von Schnee und Eis regeln wollen oder nicht. Wenn absehbar ist, dass das Bauvorhaben über die Wintermonate laufen wird, empfiehlt es sich, zur Klarheit für beide Seiten eindeutige Regelungen aufzunehmen.

Da die Witterungsbedingungen aufgrund der Klimaentwicklung immer schwerer vorherzusehen sind, werden vielfach Regelungen für Schutzmaßnahmen im Winter und für die Schnee- und Eisbeseitigung als Eventualposition  vorgesehen.

Im Hinblick auf inzwischen sehr hohe Temperaturen im Sommer oder die „Verschmutzung“ durch den Eintrag von Saharasand etc., ist zu überlegen, ob ggf. auch weitergehende Regelungen für Schutzmaßnahmen der nicht abgenommenen Leistungen in den Sommermonaten sinnvoll sind.

Der Unternehmer sollte darauf achten, dass diese Klauseln konkret sind. Wenn der Auftraggeber verlangt, dass der Unternehmer „alle notwendigen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen für schlechte Witterungsbedingungen im Winter vorzusehen hat“ und diese „in die Einheitspreise einzukalkulieren sind“, übernimmt er ein nicht unerhebliches Kalkulationsrisiko.

Gleiches gilt für Klauseln, die bei Abschluss eines Globalvertrags beinhalten, dass „alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen der noch nicht abgenommenen Leistung im Winter sowie die Freihaltung der Baustelle von Schnee, Eis und sonstigen Verschmutzungen im vereinbarten Pauschalpreis enthalten sind“.

Der Autor

Guido Sandmann
Fachanwalt für Bau und Architektenrecht, Schwerpunkte Bau- und Immobilienrecht sowie WEG-Recht
www.immobilienrechtmünchen.de

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